Evaluation urbaner Beteiligung

Ein Interview mit Moritz Maikämper

Moritz Maikämper spricht im Interview über partizipative Stadtentwicklungsprozesse und legt die Wichtigkeit guter Evaluationsverfahren zur Erfolgsmessung dar.

Foto: Jorge Láscar via flickr.com, Lizenz: CC BY 2.0

Herr Maikämper, am 28.06.2019 fand die von Ihnen mitorganisierte Fachtagung „Evaluation von Partizipationsprozessen im Spannungsfeld zwischen Alibi und Nutzen“ an der Universität Potsdam statt. Worin liegen aus Ihrer Sicht die Chancen und Herausforderungen von Beteiligung für die Stadtentwicklung?

An der Stadtentwicklung sind alle beteiligt, wie es Klaus Selle formuliert. Zunächst einmal ist es daher gut, wenn sich viele Menschen Gedanken um die Entwicklung ihrer Stadt machen und sich einbringen. Stadtentwicklungsprozesse sind jedoch sehr komplex. Die Zeiträume von der Planung bis zur Umsetzung sind oft langwierig und verlaufen selten linear. Für so etwas Beteiligung zu organisieren, ist eine schwierige Aufgabe.

Eine für die Beteiligung an Stadtentwicklungsprozessen typische Herausforderung ist die Einbindung von Eigentümern. Sie müssen am Ende entscheiden, ob und wie eine Planung auf privaten Flächen umgesetzt wird. Ihre Rolle wird meines Erachtens in den Debatten um Bürgerbeteiligung regelmäßig unterschätzt.

Ein Risiko sehe ich darin, dass manche Beteiligungsprozesse die Konfliktlinien verfehlen. In Berlin etwa entstehen Interessenskonflikte zwischen Menschen, die in einem Quartier wohnen und solchen, die hinzuziehen. In kleineren schrumpfenden Städten in den östlichen Bundesländern bestehen Interessenskonflikte eher zwischen den Generationen, wenn es darum geht, die Stadtstruktur großräumig anzupassen. Es kommt jeweils darauf an, im Vorfeld genau den Kontext zu analysieren und die Konfliktparteien zu identifizieren.

Ansätze wie das Beteiligungsscoping oder Stakeholder-Analysen sind vielversprechend, bergen aber auch das Risiko, ohnehin artikulationsstarke gesellschaftliche Gruppen weiter zu privilegieren. Den Personen, die Beteiligungsprozesse organisieren, kommt hier eine große Verantwortung zu, zumal das gezielte Beteiligen artikulationsschwacher Milieus immer mit einem Ressourcenaufwand verbunden ist.

Potentiale sehe ich bei strategischen Stadtentwicklungsprozessen wie etwa bei integrierten Stadtentwicklungsprozessen. Da sie weniger konfliktbeladen sind, eignen sie sich meines Erachtens gut, ernsthaft auf Augenhöhe verschiedene Planungsvarianten zu diskutieren. Die größte Herausforderung besteht hier darin, Menschen zur Teilnahme zu motivieren.

Braucht es zwingend Evaluationsverfahren in Beteiligungsprozessen, und wenn ja, was sollte eigentlich bewertet werden?

In ernstgemeinten Evaluationen sehe ich auf jeden Fall einen Mehrwert. In den letzten Jahren sind unzählige Handbücher, Leitfäden und Kriterienkataloge entstanden, die sich normativ damit befassen, wie Beteiligungsprozesse sein sollten. Aus der Praxis wissen wir, dass sie tatsächlich oft ganz anders verlaufen. Systematische und vergleichende Untersuchungen gibt es jedoch bisher kaum. Gerade in der Stadtentwicklung spielen Kontextfaktoren eine wichtige Rolle, etwa der Wechsel von verantwortlichen Personen, die Veränderung politischer Mehrheiten oder, dass aus einer schrumpfenden Stadt wieder eine wachsende wird. Dies gilt es bei Evaluationen zu berücksichtigen. Mich interessiert dabei vor allem, an welchen Stellen die tatsächlichen Prozesse von der Theorie abweichen und warum.

Wichtig ist es in jedem Fall, Beteiligungsprozesse so zu dokumentieren, dass sie selbst und wesentliche Weichenstellungen später auch von Dritten nachvollzogen werden können, denn: Auch die Bewertung ist immer kontextabhängig. Selbst wenn ein Beteiligungsprozess zunächst von allen gut gefunden wird, kann die Meinung dazu später umschlagen, etwa, wenn der Planungsprozess ins Stocken gerät.

Eine einmalige Evaluation nach Abschluss eines Beteiligungsprozesses ist daher nur eingeschränkt aussagekräftig. Empfehlen kann ich eine systematische Analyse der Konfliktlinien und der erwarteten Wirkungen vorab sowie eine begleitende Evaluation des Prozesses, die möglichst auch die Umsetzungsphase der Pläne umfassen sollte. Ersteres ist die Grundlage für die Konzeption eines erfolgreichen Beteiligungsprozesses. Zweites kann helfen, auf unvorhergesehene Ereignisse angemessen zu reagieren. Besonders bei ex-post-Evaluationen, im Rückblick, sollten die Wirkungen – positive und negative sowie unbeabsichtigte – in den Blick genommen werden. Der Aufwand für eine Evaluation sollte stets in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Daher ist es sinnvoll, sich auf einzelne Fragen zu fokussieren.

Wenn Bürgerbeteiligung instrumentalisiert wird, spricht man von „Scheinbeteiligung“. Sind ähnliche negative Ausprägungen im Bereich der Beteiligungsevaluation ebenfalls möglich?

Eine Evaluation darf kein Selbstzweck sein. Wenn Sie nicht erklären können, warum Sie etwas evaluieren wollen, lassen Sie es besser sein! Auch ohne unterstellte negative Absichten gilt jedoch: Bewertungen sind immer subjektiv. Wenn Sie zum Beispiel diejenigen, die den Beteiligungsprozess finanzieren, von dessen Mehrwert überzeugen wollen, schauen Sie natürlich vor allem nach den positiven Effekten. Mögliche negative Folgen oder andere begünstigende Faktoren fallen so leicht unter den Tisch, auch ohne bösen Willen.

In jedem Fall ist es wichtig, hinzuschauen, wer aus welcher Perspektive heraus eine Evaluation vornimmt. Bei der Evaluation von einzelnen Beteiligungsprozessen sollte es selbstverständlich sein, verschiedene am Prozess Beteiligte einzubeziehen; allein schon, damit die Ergebnisse der Evaluation am Ende nachvollzogen werden können und Akzeptanz finden. Was nützt eine Evaluation, die nur für die Schublade produziert wird?

Verschiedentlich wird geäußert, die Evaluation und Wirkungsforschung zu Bürgerbeteiligung stecke in den Kinderschuhen. Diesen Vergleich empfinde ich zunehmend als irreführend: Der Begriff Kinderschuhe deutet an, es sei nur eine Frage der Zeit, bis wir mehr über Wirkungsweisen von Beteiligungsverfahren wissen; das geschehe gewissermaßen ganz von allein. Mein durch die Forschungsarbeit bestärkter Eindruck ist: Wir müssen deutlich mehr Aufwand betreiben, um Evaluationsmethoden weiterzuentwickeln. Dazu sollten Forschende verschiedener Disziplinen mit Menschen, die Bürgerbeteiligungsprozesse organisieren, intensiv zusammenarbeiten. Ausprobieren und die Bereitschaft Fehler zu machen, sind dabei zumindest für eine gewisse Zeit ebenso wichtig, wie das Einhalten wissenschaftlicher Standards.

Zur Person

Moritz Maikämper ist Doktorand am Fachgebiet Stadtmanagement der BTU Cottbus-Senftenberg. Zuvor hat er dort Stadt- und Regionalplanung studiert und war als akademischer Mitarbeiter tätig. Seine Promotion beschäftigt sich mit den Wirkungen von Beteiligungsprozessen in der Stadtentwicklung und den Herausforderungen ihrer Messbarkeit. 2017 initiierte er das Thementeam „Wirkungsforschung neu denken!“ im Netzwerk Bürgerbeteiligung. Im Verein die StadtAgenten Cottbus e.V. engagiert er sich seit 2006 für die Vermittlung zwischen den an Stadtentwicklung beteiligten Akteuren.

Literaturhinweise

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Methodenhinweise

Kommunaler Planungsworkshop
Der Planungsworkshop unterstützt mit seinem strukturierten Ablauf und geringen Zeitanspruch Kommunen bei der Ausarbeitung eines Aktionsplans. Die Methode ist besonders geeignet für Gruppen, die bereits über eine gemeinsame Vision verfügen.

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