Partizipationsgarant im Schwarzen Loch?

Um ein „Schwarzes Loch“ bei der Beteiligung am Endlagersuchverfahren zu vermeiden, wurde frühzeitig ein Nationales Begleitgremium installiert. Doch bislang hat das noch nicht funktioniert …

Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums | Quelle: Umweltbundesamt /Schoen

Deutschland sucht ein Endlager für hoch radioaktive Abfallstoffe. Aktuell beschließt der Bundestag dazu ein Gesetz. Das darin definierte und zuvor von einer breit besetzten Kommission entwickelte Verfahren stellt in gesellschaftlicher und technischer Hinsicht ein einzigartiges, jahrzehntelanges Großprojekt dar.

Dieser Satz klingt für thematisch Befasste bereits etwas abgedroschen. Schnell wird dabei verkannt, dass dies bislang nur auf einen Bruchteil der Bevölkerung zutrifft. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in unserem Land hat von der beispiellosen Herausforderung zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Kenntnis.

Das Problem des „Schwarzen Lochs“

Dieses Problem wurde von Jörg Sommer, Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung und Mitglied der Endlagerkommission, wiederholt und frühzeitig thematisiert. Bereits in der 12. Sitzung der Arbeitsgruppe „Öffentlichkeitsbeteiligung“ verwies er mit den Worten:

„Wenn ich mir dieses Verfahren, so wie es bisher aussieht, anschaue, dann … klafft noch ein großes schwarzes Loch. Dieses schwarze Loch ist meines Erachtens ganz elementar für die Frage, ob wir einen gelingenden Prozess hinbekommen – oder nicht“.

In einer folgenden Beratungsgrundlage vom 19. Juni 2015 präzisierte er seine Ausführungen zum „Schwarzen Loch“ und benannte ein Bündel an Maßnahmen zu seiner Vermeidung. Er forderte:

„…eine umfangreiche Beteiligung in den potentiellen Standortregionen bereits während der Arbeit der Endlagerkommission,

eine intensive Beteiligung der potentiellen Standortregionen in der Zeit zwischen Beendigung der Endlagerkommission und Beginn des Standortauswahlverfahrens über ein frühzeitig gegründetes Nationales Begleitgremium,

und eine intensive Beteiligung in den potentiellen Standortregionen über die gesamte Dauer des Standortauswahlverfahrens.“

Die von Jörg Sommer und anderen Kommissionsmitgliedern angestrebte breite Einbeziehung der Öffentlichkeit während der Endlagerkommission gelang jedoch nicht. Dies war kein böser Wille der Beteiligten, sondern dem zu diesem Zeitpunkt wenig attraktiven Thema und dem Desinteresse der Medien geschuldet. Diverse Vorschläge von Jörg Sommer, dem einzigen Beteiligungsexperten in der Kommission, wurden auch deshalb nicht umgesetzt, weil die Kommission in ihrer Gesamtheit zwar eine große politische Breite und wissenschaftliche Kompetenz vereinte, aber über wenig Erfahrungen in konfliktgetriebenen Partizipationsprozessen verfügte.

Immerhin war es am Ende Bestandteil des Konsenses in der Endlagerkommission, dass die Auflösung dieses Beteiligungsparadoxons und insbesondere die Vermeidung eines „Schwarzen Lochs“ in der Partizipation zwischen Endlagerkommission und Findung der Auswahlregionen ganz entscheidend für den Erfolg des Verfahrens sein würde.

Hoffnung auf das Nationale Begleitgremium

Deshalb schlug die Endlagerkommission letztlich die rasche Bildung eines Nationalen Begleitgremiums (NBG) vor, das als „Treiber des Verfahrens“ gerade während der Beratungszeit des Gesetzes im Parlament und den darauf folgenden Monaten die Entstehung des thematisierten „Schwarzen Loches“ vermeiden sollte.

Den Parlamentariern aller Fraktionen ist zu verdanken, dass dieser Vorschlag noch während der Laufzeit der Kommission umgesetzt wurde und so der von der Endlagerkommission gewünschte Idealstart gelang: Ein fast nahtloses Anknüpfen des Nationalen Begleitgremiums an die Arbeit der Endlagerkommission.

Wie der BBLOG unlängst berichtete, ist das NBG erstmals am 11. Februar 2017 tätig geworden und hielt eine Bürgeranhörung ab, deren Bewertung gemischt ausfiel. Problematisch gestaltete sich unter anderem die Zusammensetzung der Beteiligten: Vorrangig waren „die üblichen Verdächtigen“ zur Bürgeranhörung eingeladen. Es handelte sich um Beteiligte und Interessierte, die entweder beruflich oder als Bürgerinitative langjährig mit dem Thema befasst sind.

Dies mag auch daran liegen, dass bis zum heutigen Tag eine bewusste Ansprache der Öffentlichkeit unterblieben ist. Grundlage hierfür wäre eine transparente Kommunikation. Doch bedauerlicherweise erklärte sich mit Prof. Dr. Armin Grunwald lediglich ein Gremiumsmitglied zu einem öffentlichen Interview bereit. Andere Mitglieder wie der Präsident des DNR, Prof. Dr. Kai Niebert, lehnten Interviewanfragen mit der Begründung ab, dass gegenwärtig Interviews ausschließlich von den Vorsitzenden gegeben würden. Erst wenn das Gremium sein Rollenverständnis intern definiert hätte, würde diese Schweigegelübde aufgehoben. Schriftliche Interviewanfragen an die Geschäftsstelle des NBG sowie weitere NBG Mitglieder wurden bislang überhaupt nicht beantwortet.

Nationales Begleitgremium schottet sich ab

Diese Politik des Abschottens gegenüber der breiten Öffentlichkeit ist natürlich fatal. Sie widerspricht völlig den Erwartungen an Transparenz und Beteiligungsorientierung des Verfahrens und wird insbesondere in der interessierten Öffentlichkeit sehr kritisch betrachtet. Aus dem Kreis der NBG Mitglieder gibt es private Äußerungen, die darauf hindeuten, dass dies mit der bislang ungeklärten Rolle des NBG zusammenhänge – und es hierzu auch zwischen Vorsitzenden und einzelnen Mitglieder deutlich unterschiedliche Einschätzungen gäbe. Es habe da, so ein NBG-Mitglied gegenüber BBLOG, „schon gewaltig geknallt“.

Konflikte als Risiko und Chance

Es wäre natürlich fatal für den Prozess, wenn sich das NBG schon zu Beginn selbst zerlegen würde. Es wäre aber auch eine Chance, sich früh zu einem transparenten Umgang mit Konflikten durchzuringen, die ja das gesamte Verfahren prägen werden. Im Bericht der Endlagerkommission sind hierzu sehr konkreten Anforderungen formuliert, die das NBG aber bislang nicht für sich als Maßstab anzuwenden scheint.

Das Bedürfnis der NBG-Mitglieder, die eigene Rolle im anstehenden Verfahren zu klären, war für die Teilnehmer auch während der Bürgeranhörung spürbar. Das bringt jedoch das Verfahren in eine  Schieflage, denn die diversen Akteure und ihre Aufgaben sind in einem organischen Kontext konzipiert. Wenn nun plötzlich ein ganz zentrales Organ des Verfahrens seine Rolle selbst neu definiert, ist diese Balance gefährdet. Zumal andere Organe, wie zum Beispiel der gerade für einen transparenten Umgang mit Konflikten geschaffene Partizipationsbeauftragte, bislang völlig fehlen. Dieser sollte vom NBG benannt werden, das diesbezüglich aber noch keine Aktivitäten entfaltet.

Das Nationale Begleitgremium im Schwarzen Loch?

Zusammenfassend bleibt leider festzustellen, dass gerade das so wichtige NBG gegenwärtig seine ihm angedachte Rolle nicht auszufüllen vermag und das befürchtete „Schwarze Loch“ bereits entstanden ist. Für ein erfolgreiches Endlagersuchverfahren ist daher zu hoffen, dass das NBG umgehend seine Selbstfindungsphase abschließt und alle Kraft auf die Ausfüllung der ihm angedachten Rolle aufwendet.

Die Ausführungen auf den Seiten 388 ff. des Abschlussberichtes sind dabei als wertvoller Wegweiser zu sehen. Demgegenüber wird ein Verharren in einer intransparenten, intern geführten Rollendiskussion die Glaubwürdigkeit des Gremiums nachhaltig schädigen. Jörg Sommer, auf dessen Vorschlag die frühe Einrichtung des Nationalen Begleitgremiums durch den Deutschen Bundestag umgesetzt wurde, kommentierte die aktuelle Situation auf Anfrage des BBLOG so:

„Nichts wäre für die Akzeptanz des Verfahrens fataler als Zweifel ausgerechnet an der Glaubwürdigkeit des Gemeinwohlgaranten.“

Er gibt sich jedoch noch optimistisch:

„Konflikte im NBG sind nicht schlimm, ebensowenig wie Konflikte zwischen anderen Akteuren. Problematisch wird es nur dann, wenn man diese Konflikte nicht thematisiert und transparent macht.“

Fehlender Konfliktmanager

Der Partizipationsbeauftragte in der Endlagersuche wurde von der Endlagerkommission ausdrücklich als Konfliktmanager definiert. Möglicherweise wäre es hilfreich für das Nationale Begleitgremium, wenn es diesen Konfliktmanager schon hätte und zu Rate ziehen könnte.

Zu den Aufgaben des Partizipationsbeauftragten, den Anforderungen an diese Rolle und einen transparenten Umgang mit Konflikten werden wir in Kürze hier auf BBLOG einen längeren Fachartikel veröffentlichen.

Literaturhinweise

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Simon Joss

Die Konsensus Konferenz in Theorie und Anwendung. Gutachten im Auftrag der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg Forschungsbericht

Akademie für Technikfolgenabschätzung Stuttgart, 1999.

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Ortwin Renn; Thomas Webler

Der kooperative Diskurs. Theoretische Grundlagen, Anforderungen, Möglichkeiten Buchabschnitt

In: Ortwin Renn; Hans Kastenholz; Patrick Schild; Urs Wilhelm (Hrsg.): Abfallpolitik im kooperativen Diskurs. Bürgerbeteiligung bei der Standortsuche für eine Deponie im Kanton Aargau, S. 3-103, vdf, Zürich, 1998.

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Heinz Ulrich Nennen; Detlef Garbe

Das Expertendilemma: zur Rolle wissenschaftlicher Gutachter in der öffentlichen Meinungsbildung Buch

Springer , Berlin, 1996.

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Simon Joss; John Durant

Public Participation in Science. The Role of Consensus Conference in Europe Buch

Science Museum, London, 1995.

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Robert Dahl

A Democratic Dilemma: System Effectiveness versus Citizen Participation Artikel

In: Political Science Quarterly , Bd. 109, Nr. 1, S. 23-34, 1994.

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