Die Endlagersuche sichtbar machen

Ein Interview mit Bettina Gaebel über ihre Tätigkeit beim Nationalen Begleitgremium

Bettina Gaebel ist Mitglied des Nationalen Begleitgremiums. Im Interview mit BBLOG spricht die Bürgervertreterin über ihre Tätigkeit und künftige Herausforderungen für das Gremium.

Interview Bettina Gaebeöl

Foto: Jurga Graf Photography

Sehr geehrte Frau Gaebel, Sie sind Mitglied des neu gegründeten Nationalen Begleitgremiums (NBG). Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie gebeten wurden, Teil des Gremiums zu werden?

Es war eine Mischung aus Freude darüber, dass man mir diese verantwortungsvolle Aufgabe zutraut und Spannung darauf, welche Herausforderungen die Aufgabe mit sich bringen würde.

Wie wurden Sie Mitglied im NBG?

Das war tatsächlich eine Mischung aus Zufall, persönlichem Interesse und demokratischem Prozess. Ausgangspunkt war eine Telefonaktion, die im Herbst 2016 durchgeführt wurde. Auf Basis einer Zufallsstichprobe wurden ca. 69.000 Nummern in ganz Deutschland angewählt. Daraus wurden 571 Interessent/innen und 123 Teilnehmerzusagen gewonnen. In fünf Bürgerforen in Hamburg, Leipzig, Düsseldorf und München und darüber hinaus auch in einem Bürgerforum der jungen Generation in Kassel fanden intensive zweitägige Workshops zum Thema statt. Ich war Teilnehmerin des Workshops in München und wurde in einer geheimen Wahl mit absoluter Mehrheit zusammen mit fünf anderen Teilnehmern/innen gewählt. Am 6./7. November 2016 fand ein zweiter Workshop in Berlin mit den 30 in den verschiedenen Bürgerforen gewählten Mitgliedern statt. Dieses sogenannte Beratungsnetzwerk hat erneut in einer geheimen Wahl mit absoluter Mehrheit entschieden, wen sie als Bürgervertreter/innen im Nationalen Begleitgremium für geeignet halten. Gewählt wurden jeweils in einem eigenen Wahlverfahren ein Mann, eine Frau und ein/e Vertreter/in der jungen Generation. Bundesumweltministerin Hendricks hat die drei gewählten Bürgervertreter/innen dann am 9. November 2016 ernannt. Zufall war in diesem Sinne also eigentlich nur der Erstkontakt.

Wie interpretieren Sie Ihre Rolle im Gremium?

Das ist eine sehr gute Frage, mit der wir uns tatsächlich auch innerhalb des Gremiums noch zu befassen haben. Es kursiert immer wieder der Begriff des Zufallsbürgers, der mir persönlich nicht gefällt, weil er nur eine Stufe des Auswahlprozesses beleuchtet. Ich verstehe mich als Bürgervertreterin, die aus den Foren und dem Beratungsnetzwerk als Vertreterin in das Nationale Begleitgremium gewählt wurde. Zufallsbürger sind ja alle, die kontaktiert wurden. Uns hat man das Vertrauen geschenkt, den Bürgerinteressen innerhalb des Gremiums Gehör zu verschaffen.

Wie beurteilen Sie rückblickend die erste öffentliche Veranstaltung des NBG?

Ich bin beeindruckt, wie hoch das Interesse an dieser ersten Veranstaltung war und wie engagiert die Bürger/innen an den Arbeitsgruppen mitgearbeitet haben. Ich hatte den Eindruck , dass trotz einiger auch kritischer Stimmen, das positive Signal ankam und dass man bereit ist, diesem Weg, der in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein völliges Novum ist, eine Chance zu geben. Ich glaube, es war sehr wichtig, dass wir – noch bevor wir uns eigentlich richtig kennenlernen und formieren konnten – sofort gehandelt haben und im Gesetzgebungsprozess bereits auf die Bürger/innen zugegangen sind. Wir sind sichtbar geworden und konnten so zentrale Fragestellungen aufgreifen und an den Gesetzgeber zurückspiegeln.

Vor welchen Herausforderungen steht das NBG Ihrer Meinung nach?

Diese zarte Pflanze des Vertrauens zu pflegen und wachsen zu lassen – das ist sicher eine der größten Herausforderungen in diesem Prozess.

Eine große Herausforderung wird es sicher sein, das Beteiligungs-Paradoxon zu überwinden, also möglichst früh möglichst viele Menschen zu beteiligen. Wie wollen Sie die Teilhabe am Prozess verbreitern und gibt es dazu schon konkrete Ideen? Kann das NBG hier möglicherweise auf Ihre Expertenerfahrungen im Marketingbereich zurückgreifen?

Das sind gleich mehrere Fragen auf einmal. Lassen Sie mich das der Reihe nach beantworten: Aus meiner Sicht kommt dem Beratungsnetzwerk, deren Mitglieder ihrerseits auch in Kontakt mit den Bürgerforen stehen, eine wichtige Rolle zu. Denn hier sind schon einmal interessierte unabhängige Bürger/innen aus ganz Deutschland, mit denen wir in regelmäßigem Austausch stehen und die für uns auch wichtige Impulsgeber sind. Wir haben uns von Anfang an dafür eingesetzt, diese Kontakte in die verschiedenen Regionen hinein zu pflegen und zu multiplizieren. Wir informieren fortlaufend, laden zu Besichtigungen ein, haben jetzt auch das Format einer Telefonkonferenz eingerichtet, um über die One-Way-Kommunikation hinaus zusätzlich auch den persönlichen Austausch zu fördern und gemeinsam Ideen zu entwickeln. Diese Ideen sollen unmittelbar in unsere Gremienarbeit einfließen.

Man muss einfach sehen: Das Thema hat leider nicht in allen Regionen die gleiche Aufmerksamkeit. Das muss sich aus meiner Sicht ändern, denn es betrifft alle und das noch über ungezählte Generationen. Aus diesem Grund haben wir auch entschieden, die öffentlichen Sitzungen des Nationalen Begleitgremiums an unterschiedlichen Standorten durchzuführen, um möglichst vielen Bürgern/innen Gelegenheit zu geben, den Prozess von Anfang an auch persönlich zu begleiten.

Tatsächlich fügt es sich sehr gut, dass sich die Expertisen der drei Bürger/innen-Vertreter hervorragend ergänzen. Meiner Kommunikationserfahrung würde ich hier mehr Gewicht geben als meiner Marketing-Erfahrung. Wenn es so etwas wie eine „Vermarktungsaufgabe“ gibt, dann wäre das aus meiner Sicht: das Sichtbarmachen des innovativen Prozesses und der einzelnen Prozessschritte. Die Bürger/innen müssen wissen, dass es das Nationale Begleitgremium gibt und dass der Gesetzgeber diese Möglichkeit geschaffen hat, um Transparenz, Partizipation und Dialog zu ermöglichen. Dafür werde ich mich im Gremium einsetzen.

Vielen Dank für Ihre Zeit zur Beantwortung der Fragen!

 


Bettina Gaebel ist Unternehmerin und Mitglied des Nationalen Begleitgremiums in der Endlagersuche. Sie ist einer von drei sogenannten Zufallsbürgern, die mittels eines aleatorischen Verfahrens Teil des Gremiums wurden.

Literaturhinweise

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Jugendbeteiligung im ländlichen Raum muss neu gedacht werden Buchabschnitt

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Online-Beteiligung: Das Potential von Geodaten für transparente Partizipation Buchabschnitt

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