Klimaneustart verschoben

Trotz Mehrheit scheitert der berliner Volksentscheid

In Berlin scheiterte am 26.03.23 der Volksentscheid „Berlin Klimaneutral 2030” aufgrund mangelnder Teilnahme.

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Die Initiator*innen des Volksentscheids von Klimaneustart haben mit ihren vorgeschlagenen Gesetzesänderungen und der Vorverlegung des Zieldatums zur Erreichung von Klimaneutralität der Politik weitreichende Ziele gesetzt. Oder hätten es zumindest, wenn der Volksentscheid zu ihren Gunsten ausgefallen wäre. Mit 50,9 % Zustimmung zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen konnten die Initiator*innen tatsächlich eine knappe Mehrheit für ihr Anliegen gewinnen, allerdings wurde mit ca. 442.000 Ja-Stimmen das erforderliche Quorum von 607.518 Ja-Stimmen (25 % der Wahlberechtigten) nicht erreicht. Die Wahlbeteiligung lag nur bei knapp 35,8 %.

Unabhängig vom Ergebnis des Volksentscheids ist es sehr bedenklich, dass so wenige Personen diese Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung nutzten, um bei einem solchen Thema per Volksentscheid eine Entscheidung zu treffen.

Das ist kein neues Phänomen. Seit 1945 wurden 25 Volksentscheide durch Volksbegehren aus der Bevölkerung initiiert. Die Wahlbeteiligung an diesen Volksentscheiden hängt vor allem davon ab, ob der Volksentscheid gleichzeitig mit einer anderen Wahl stattfindet. Ist dies der Fall, liegt sie bei durchschnittlich 63,1 %. Ohne eine parallel laufende Wahl nur bei 34,1 %. Der Volksentscheid „Berlin Klimaneutral 2030“ liegt also, was die Wahlbeteiligung angeht, leicht über dem, sehr niedrigen, Durchschnitt. Das sehr knappe Ergebnis zeigt, dass das Thema sehr polarisiert, wodurch die notwendige Mehrheit nicht erreicht werden konnte.

Die entscheidende Frage ist also nicht, warum die Berliner*innen für oder gegen den Volksentscheid gestimmt haben, sondern warum 64,2 % der wahlberechtigten Berliner*innen gar nicht an der Abstimmung teilgenommen und damit ein demokratisch legitimiertes Ergebnis des Volksentscheides verhindert haben. Ein Hauptgrund hierfür könnte schlicht mangelndes Interesse sein. Nicht am Thema – das zeigt der Vergleich der Wahlbeteiligung zu anderen Volksentscheiden und die mediale Aufmerksamkeit im Vorfeld – sondern an der Ausübung der eigenen demokratischen Teilhabemöglichkeit.

Daneben stellen sich aber auch zwei weitere Fragen: Erstens, warum der Volksentscheid in diesem speziellen Fall nicht zusammen mit der Berliner Wiederholungswahl abgehalten wurde, was der Erfahrung nach eine höhere Wahlbeteiligung wahrscheinlicher gemacht hätte und zweitens, warum allgemein in Berlin, wie auch in der überwältigenden Mehrheit der anderen Bundesländern, bei Volksentscheiden ein Zustimmungsquorum festgelegt ist. Durch diese institutionellen Hürden, welche bei Landtags- oder Bundestagswahlen nicht existieren, wird die Durchführung direktdemokratischer Initiativen künstlich erschwert.

Der gescheiterte Volksentscheid zeigt einmal mehr, dass beim Kampf gegen den Klimawandel besonders eine dialogische und ergebnisorientierte Form der Bürgerbeteiligung benötigt wird, welche es Bürger*innen ermöglicht, konstruktiv politisch mitzuwirken. Um effektiven Klimaschutz zu erreichen, bedarf es sowohl bei der Entscheidungsfindung als auch bei der Umsetzung dieser Entscheidungen breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Diese kann besonders durch deliberative Prozesse gefördert werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zum einen die Frage gestellt werden muss, warum so viele Wähler*innen die Möglichkeit zur direkten politischen Beteiligung nicht nutzen und, damit zusammenhängend, ob Volksentscheide in dieser Form das richtige Instrument sind, Bürger*innen ein Gefühl von Partizipation und Teilhabe zu vermitteln. Zum anderen sollte die Bedeutung von Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Bekämpfung des Klimawandels nicht unterschätzt werden, da sonst ein wichtiges Instrument für die Akzeptanz und dadurch auch für die Effektivität von Klimaschutzmaßnahmen verloren ginge.

Literaturhinweise

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