Angela Brogsitter: Eigenes Engagement lohnt sich!

Angela Brogsitter ist Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal und berichtet im Interview mit BBLOG von ihrer Arbeit und ihrem Engagement für nachhaltige, partizipative Entwicklung ihrer Region.

Bürgerbeteiligung - Angela Brogsitter

Angela Brogsitter

Bitte beschreiben Sie den Leserinnen und Lesern kurz die Ziele, Interessen und Aufgaben Ihrer Bürgerinitiative.

Die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT), 1972 gegründet, war in all diesen Jahren – unter jeweils unterschiedlichen Vorständen und Mitgliedern – immer bemüht, die Schönheit, Außergewöhnlichkeit, Ursprünglichkeit, Echtheit, Bodenständigkeit und Authentizität unserer einmaligen Landschaft zu bewahren, die Einheimischen, Neuhinzugezogenen und Gäste für diese Schönheit empfänglich zu machen, sie zu sensibilisieren und zu einem pfleglichen, nachhaltigen Umgang mit der Natur zu motivieren. Eine Weiterentwicklung natürlich nicht zu verhindern, allerdings in verträglichem Maße, mit Weitsicht und nicht ausartend in Raubbau und Investorengier. In den letzten 10 Jahren ist letzteres leider immer häufiger der Fall durch zu viele neu-ansässige Immobilien- und Maklerfirmen, sowie von außen hereinströmende geld- und profitsüchtige Investoren.

Die SGT blickt auf eine lange Geschichte zurück. Wie hat sich die Zusammen- und Mitarbeit in der Bürgerinitiative seitdem verändert?

In der Anfangsphase der SGT ging es den Gründern hauptsächlich darum, beim Anblick der stetig zunehmenden Baukräne im Tal einem Ausverkauf der Landschaft entgegen zu wirken. Einige Großprojekte, wie der Bau eines neuen Gymnasisums im Landschaftsschutzgebiet des Gmunder Ortsteils Ostin (schließlich wurde das Kloster/Schloß Tegernseer zu einem der schönsten Gymnasien Bayerns umgewandelt), eine Hochspannungsleitung durch Bad Wiessee und eine große Verkehrstransversale nach Italien konnten verhindert werden. In der Folgezeit war der Verein nicht allzu aktiv.  Ein neuer Vorstand in den 90er Jahren verhinderte glücklicherweise eine riesige Mehrzweckhalle am „Greanen Wasserl“, einem landschaftlich einmaligen Naturraum zwischen Bad Wiessee und Rottach-Egern. 2001 formierte sich ein neuer Vorstand, der sich durch die monströse Luxushotel-Planung auf Gut Kaltenbrunn des Unternehmers Stefan Schörghuber und das gemeinsame Interesse, dieses denkmalgeschützte, auf die Benediktinermönche zurückgehende Mustergut vor der Zerstörung zu bewahren, gefunden hatte. Die Mitgliederzahl ist seitdem auf fast 500 gestiegen, Einheimische, „Zugeroaste“ und Freunde des Tegernseer Tals – mit ihnen findet ein regelmäßiger Austausch statt. Ausserdem werden in ebenso regelmäßigen Abständen hochkarätige Referenten eingeladen, die unsere Bemühungen, die Bürger für die Schönheit der Landschaft zu sensibilisieren, unterstützen.

Sie stehen regelmäßig in Kontakt mit politischen Vertretern und Mitgliedern der kommunalen Verwaltung. Sowohl bei regionalen als auch überregionalen Bau- und Planungsvorhaben ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen. Haben Sie bspw. vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Bundesverkehrswegeplans den Eindruck, dass die Bürgerinnen und Bürger hinreichende und glaubwürdige Beteiligungsmöglichkeiten haben?

In den letzten Jahren hat sich unser Stand verbessert, wir werden bei neuen Bauprojekten miteinbezogen, sowohl die Tal-Bürgermeister, wie auch das Landratsamt laden uns zu Neuentwicklungen ein (LEADER-Projekt, ÖKO-MODELLREGION). Was den gegenwärtigen Bundesverkehrswegeplan betrifft, so hat die SGT sowohl für eine geplante Trasse der Gemeinde GMUND, wie auch für eine geplante Trasse der Gemeinde WAAKIRCHEN eine ablehnende Stellungnahme nach Berlin geschickt. Ob diese Beteiligungsmöglichkeit der Bürger, die sehr kurzfristig schien, ausreicht, darf bezweifelt werden und muss die Zukunft zeigen. Die Mehrheit der Bürger ist nach wie vor der Meinung, dass „die da oben“ am Ende doch machen, was sie wollen, egal, wie die Bürger es sehen (siehe TTiP,  3. Startbahn, Fracking, Glyphosat, etc.). Durch den in der BRD vorherrschenden immensen Druck durch Unmengen an Lobbyisten auf die Politik sieht sich der Bürger fast immer in der Verliererrolle. Dies endlich zu verbessern oder zu ändern, ist die Aufgabe von uns allen, die wir uns – trotz aller Widerstände – eine menschenwürdigere, nachhaltigere, umweltgerechtere Zukunft unseres Landes erhoffen. Unser Motto immer:  WIDERSTAND LOHNT SICH !!!

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Bürgerinitiativen. Verfolgen Sie die Entwicklung und das Verhalten anderer Initiativen oder suchen gar Möglichkeiten der Vernetzung? Welche Rückschlüsse ziehen Sie ggf. für Ihre Projekte und gibt es aus Ihrer Sicht so etwas wie eine gemeinsame Lernkurve?

Die SGT ist mit einer Vielzahl von Bürgerinitiativen sehr gut vernetzt. Durch den für die SGT positiven Ausgang der damaligen Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichshof in Sachen „Gut Kaltenbrunn“ im Juli 2008 haben wir einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht und wurden schon deshalb von zahlreichen Bürgerinitiativen kontaktiert, um unsere Erfahrungen weiterzugeben. Auch sind wir gut vernetzt mit Vertretern des Bunds Naturschutz, Landesbunds für Vogelschutz, Vereins zum Schutz der Bergwelt/CIPRA , DAV, u.a. Im Landkreis unterstützen/unterstützten wir Initiativen in Schliersee (aktuell), Weyarn, Waakirchen, Miesbach, Valley, und zum Bundesverkehrswegeplan Initiativen im gesamten Landkreis. Auch hier ist unser Motto:  NUR GEMEINSAM SIND WIR STARK !!

In Teilen der Gesellschaft bestehen immer noch Zweifel an der Fähigkeit von Bürgerinnen und Bürgern, sich mit komplexen Themen zu befassen. Im Sinne einer guten Lösung sollten daher Infrastrukturprojekte und Raumplanungsverfahren durch Experten entschieden und durchgeführt werden. Wie ist Ihre Sicht der Dinge?

Schon unser leider verstorbenes Ehrenmitglied Prof. Dr. Busso von Busse (Anfänge des neuen Münchner F.J. Strauß Flughafens) hat immer wieder dazu aufgerufen und ermahnt, bei Großprojekten, Raumplanungsverfahren Experten einzuschalten, da z.B. von Gemeinde- oder Stadträten nicht erwartet werden kann, dass sie auf allen Gebieten, in allen planerischen und technischen Aspekten, kundig sein können. Diese Experten dürften auch in der Lage sein, dem Bürger Vor- und Nachteile schlüssig  darzulegen, um auch diese zu einer fachgerechten Beurteilung zu befähigen.

Vergangenen Herbst fand in Paris die Weltklimakonferenz statt und Fragen der Energiewende sind jeden Tag in den Nachrichten. Dabei schwingt oft die Forderung nach einer nachhaltigen Gesellschaft mit. Welche Rolle und Aufgabe können dabei kommunale Bewegungen einnehmen?

Die SGT ist selbstverständlich auch vernetzt mit der Energiewende Oberland sowie anderen landkreisweiten Initiativen, die sich für eine zukunftsfähige und machbare Energiewende engagieren. Das Wichtige bei allem ist, die Bürger auf diese „Reise“ mitzunehmen, nicht über sie hinweg zu bestimmen, sondern ihnen Wege aufzeigen, die für jeden einzelnen möglich wären und dabei Begeisterung für das Gelingen zu entfachen. Die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal  verleiht in jedem Jahr ein oder 2 „Holzlaternen“ (hergestellt von den Behinderten-Werkstätten) – unseren „LICHTBLICK“.  Hier zeichnen wir Bürger, Initiativen aus – sowohl im Naturschutz, in der Architektur, im Denkmalschutz, in der Landwirschaft, im Handwerk – die durch ihr Engagement, ihre Leistung einen Beitrag zum Schutz und zur Weiterentwicklung unseres schönen Tales beitragen.


Angela Brogsitter ist erste Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) und engagiert sich seit langer Zeit für eine nachhaltige, partizipative Entwicklung ihrer Region.

Literaturhinweise

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Jürgen Habermas

Theorie des Kommunikativen Handelns Buch

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1981.

BibTeX

Sherry Arnstein

A Ladder of Citizen Partizipation Artikel

In: Journal of the American Planning Association, Bd. 35, Nr. 4, S. 216-224, 1969.

Abstract | BibTeX

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Methodenhinweise

Kommunaler Planungsworkshop
Der Planungsworkshop unterstützt mit seinem strukturierten Ablauf und geringen Zeitanspruch Kommunen bei der Ausarbeitung eines Aktionsplans. Die Methode ist besonders geeignet für Gruppen, die bereits über eine gemeinsame Vision verfügen.

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