Klimaresilienz und Partizipation
Wie kann Bürgerbeteiligung eingesetzt werden, um eine klimaresiliente und nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung zu fördern? Welche Herausforderungen bestehen dabei und welche Faktoren bedingen ein erfolgreiches Verfahren? Diesen und anderen Fragen gingen rund 100 Teilnehmer der Konferenz „Gemeinsam sind wir klimaresilient“ des Umweltbundesamts Ende Juni in Dessau nach.
Petra Mahrenholz (UBA) benannte bereits in ihrer Begrüßungsrede die visionäre Kraft von Diskussionen als größte Stärke von Beteiligungsverfahren. Diese würden zudem einen gesamtgesellschaftlichen Lernprozess ermöglichen, der nötig sei, um Städte und Regionen robust gegenüber Klimaveränderungen zu machen. In diesem Sinne solle die Konferenz Impulse für die Ausgestaltung der „Nationalen Strategie zur Klimaanpassung“ in partizipativer Hinsicht geben.
Es folgte eine Interviewrunde mit Mitgliedern aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung. Erörtert wurde zunächst die Frage, wie der Bürgerbeteiligungsprozess auf Bundesebene im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) stattfinden sollte. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Umweltstiftung und Initiator des Berlin Instituts für Partizipation Jörg Sommer betonte, dass dabei nicht bloße Kommunikation mit Partizipation verwechselt werden dürfe. Es reiche nicht aus, die Bürger über die Notwendigkeit der Klimaanpassung zu informieren. Damit würden zwar möglicherweise die Akzeptanz für Anpassungsprozesse erhöht und Maßnahmen legitimiert, jedoch keine bestmöglichen Lösungen generiert. Diese setzten eine neue Qualität von Bürgerbeteiligung voraus, die einen gesellschaftlichen Kulturwandel bedinge und der emanzipatorischen Dimension von Beteiligung einen großen Stellenwert einräume.
Einblicke in die aktuelle Partizipationsforschung und den Stand der Bürgerbeteiligung in der Klimaanpassung gaben anschließend Dr. Carolin Schröder (TU Berlin) und Dr. Thorsten Grothmann (Universität Oldenburg). Zur Frage „Wo stehen wir?“ stellte Dr. Grothmann heraus, dass zu zwei Punkten noch ein beträchtliches Evaluationsdefizit bei Beteiligungsverfahren bestehe: Zum einen zum Motivationseffekt als nicht greifbarem Wert von Partizipation und zum anderen zur Repräsentativität der eingebundenen Bevölkerungsgruppen. Außerdem gab er den Teilnehmenden zu bedenken, dass bislang bei fast allen Partizipationsverfahren der Fokus auf einer Minderung negativer Folgen des Klimawandels gelegen habe, statt auf einer gemeinsamen Gestaltung einer positiven Klimazukunft.
Selbst aktiv wurden die Teilnehmenden dann in vier Workshops zu unterschiedlichen Fragestellungen: Strategienentwicklung, Bürgeraktivierung, Konfliktlösung und Einbindung lokaler Initiativen. Aus den im Austausch erschlossenen Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für Partizipationsprozesse entwickelten die Teilnehmer schließlich konkrete Handlungsempfehlungen für Beteiliger. Bedeutende, teilweise in mehreren Workshops aufgeworfene Punkte waren dabei:
- Verbindung der abstrakten Problematik der Klimaanpassung zur Lebenswelt der Bürger schaffen
- Ressourcenbereitstellung – finanziell (Förderproblematik) wie auch ideell (Unterstützung durch Behörden, Ermöglichungskultur)
- Standards für Qualität eines Beteiligungsverfahrens
- Verstetigung von angestoßenen Prozessen
- Konflikte einbinden
In einer Fishbowl-Diskussion am Ende der Konferenz beleuchteten die verschiedene Facetten des Themas. Thomas Stratenwerth (BMUB) strich die Serviceaufgaben des Bundes zur Unterstützung von Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene hervor. Dazu zählten neben Fördermaßnahmen auch die Bereitstellung von Informationen, Konzepten und Vernetzungsmöglichkeiten. Jörg Sommer ergänzte dies um die weitere große Aufgabe, sicherzustellen, wie Beteiligung auf lokaler Ebene Politikentwicklung auf Bundesebene beeinflussen könne. Prof. Dr. Heike Walk (HNE Eberswalde) fügte außerdem hinzu, dass auch die frühzeitige Initiierung von Themen, zu denen zu beteiligen ist, zu diesen Aufgaben zähle.
Petra Mahrenholz fasste in ihrem abschließenden Fazit schließlich die zentralen Ergebnisse der zweitägigen Veranstaltung zusammen, die als Output der Konferenz in die Klimaanpassungsstrategie einfließen würden. Dazu zählte aus ihrer Sicht neben der Wichtigkeit der oben erwähnten Serviceaufgaben die Wertschätzung lokaler Initiativen sowie die Entwicklung von Qualitätskriterien, die den Erfolg von Beteiligungsprozessen sinnvoll messen.
Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier.
Nachtrag: Einen Veranstaltungsbericht aus der Perspektive des Umweltbundesamts lesen Sie hier
Literaturhinweise
2022, ISBN: 978-3-658-36753-4.
Europa ganz nah: Lokale, regionale und transnationale Bürgerdialoge zur Zukunft der Europäischen Union Forschungsbericht
Bertelsmann Stiftung Gütersloh, 2022.
Bürgerbudgets in Deutschland. Formen, Bedeutung und Potentiale zur Förderung politischer Teilhabe und bürgerschaftlichem Engagements Forschungsbericht
Berlin Institut für Partizipation 2021, ISBN: 978-3942466-48-6.
Impacts of Participatory Budgeting on Civil Society & Political Participation Forschungsbericht
2021.
Crossmediales Wissensmanagement auf kommunaler Ebene: Bürgerbeteiligung, Netzwerke, Kommunikation Buch
2021, ISBN: 978-3-658-35879-2.
2021, ISBN: 978-3-658-34040-7.
2021, ISBN: 978-3-658-33081-1.
Kinder und Jugendliche im Quartier - Handbuch und Beteiligungsmethoden zu Aspekten der urbanen Sicherheit Forschungsbericht
2021, ISBN: 978-3-88118-679-7.
Bundesrepublik 3.0 Forschungsbericht
Umweltbundesamt 2019, (Ein Beitrag zur Weiterentwicklung und Stärkung der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie durch mehr Partizipation auf Bundesebene).