Town Hall Meeting

Town Hall Meeting Foto: visitBerlin via Flickr.com, Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0

Die Bürgerversammlung wäre wohl das deutsche Pendant für das angloamerikanische Town Hall Meeting, was erst einmal schlicht Rathausversammlung bedeutet. Town Hall Meetings haben in den USA bereits eine lange Tradition: Schon seit dem 17. Jahrhundert sind sie fester Bestandteil der dortigen kommunalen Partizipationskultur. Bürger haben hier nicht nur die Möglichkeit mit den Kommunalpolitikern in einen offenen Dialog zu treten, sondern auch über wichtige Tagespunkte abzustimmen, also direkt Politik zu betreiben.

Town Meetings finden zwar in dieser Weise nach wie vor in den USA statt, aber die Bedeutung des Begriffes hat sich mittlerweile erweitert. Die ursprünglich begrenzte Reichweite der lokalen Versammlungen hat sich durch das Ummünzen der Town Hall Meetings in ein TV-fähiges Format enorm erhöht. Nun stehen nicht mehr nur Kommunalpolitiker den Bürgern Rede und Antwort, sondern sogar die obersten Regierenden des Landes. Oft wird ein Town Hall Meeting mit einem Debattenduell zwischen zwei Politikern verbunden, um den Bürgern mehr Informationen über die jeweiligen Parteien bzw. Wahlkandidaten zukommen zu lassen. Im Unterschied zu den Town Hall Meetings amerikanischer Kleinstädte hat der Bürger hier keine Möglichkeit, direkt am politischen Geschehen mitzuwirken. Dies tut er allenfalls später an der Wahlurne.

Spätestens seit der intensiven Berichterstattung der deutschen Medien über die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen zwischen Hillary Clinton und Donald Trump sind politische Debatten in Form von Town Hall Meetings in aller Munde. Im nachfolgenden Video finden Sie das Town Hall Meeting zwischen Clinton und Trump vom 6. Oktober 2016 in voller Länge:

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Doch auch in Deutschland sind Town Hall Meetings nichts Unbekanntes mehr. Manche werden sich vielleicht an das erste Town Hall Meeting Deutschlands erinnern, welches im Wahljahr 2009 zwischen Angela Merkel und ausgewählten Bürgern auf dem privaten Fernsehsender RTL stattfand. Seitdem gab es noch einige weitere derartiger Versammlungen, aber wirklich durchsetzen konnte sich das Konzept bisher noch nicht.

Darüber hinaus werden Town Hall Meetings mittlerweile auch in Unternehmen abgehalten, bei denen zunächst die Geschäftsleitung das Wort hat, bevor die Mitarbeiter Fragen und Anregungen hervorbringen können. Größere, global angesiedelte Unternehmen benutzen hierfür Videokonferenzsysteme oder zeichnen ihre Town Hall Meetings auf und stellen sie als Onlinedownload zur Verfügung, damit auch MitarbeiterInnen in anderen Zeitzonen, Schichtarbeiter, Erkrankte oder Urlauber das Gesagte später anhören können. Auf diese Weise können Town Hall Meetings zum elementaren Bestandteil der internen Unternehmenskommunikation werden.
Wie Partizipationsmethoden von Bürgerbeteiligungsverfahren in Unternehmen Einzug erhalten können und wo hier die Chancen und Grenzen liegen, ist auch Thema des von Prof. Dr. Uta Bronner und Regina Schröter verfassten Artikels Einbezug von Mitarbeitern in Veränderungsinitiativen – Was können Unternehmen von Bürgerbeteiligungsverfahren lernen?, der im bald erscheinenden zweiten KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG zu finden sein wird.

Am erfolgreichsten sind Town Hall Meetings, wenn ehrliche Antworten auf ehrliche Fragen folgen. Ein hoher Grad an Authentizität gewährleistet, dass beide Gesprächsparteien wissen, was die andere denkt und möchte, um dann entsprechend handeln zu können. Eine derart unbefangene Situation zu kreieren, sodass beide Seiten frei sprechen können, ist sowohl bei einem Unternehmens- als auch TV-Town Hall Meeting eine Herausforderung. Gerade letzterem kann leicht vorgeworfen werden, einem vorab gestellten Skript zu unterliegen und nicht die tatsächlichen Bürgermeinungen widerzuspiegeln, nur um den involvierten Politikern entgegenzukommen. Ein solcher Ablauf hätte natürlich nichts mehr mit dem ursprünglich antizipierten Austausch zwischen Bürgern und Politikern zu tun.

Finden Town Hall Meetings aber in einem offenen, ehrlichen Rahmen statt, dann stellen sie ein nicht zu unterschätzendes Mittel der Bürgerbeteiligung dar. Sie geben jedem Bürger auf simple Weise eine Stimme, die von der Politik nicht nur angehört werden sondern mit der sie sich auch auseinandersetzen muss. Die Gegenseite kann sich nicht so leicht durch Floskeln oder Polemik der Frage entziehen, wie es beispielsweise bei Gesprächen zwischen Politikern und Fernsehmoderatoren bisweilen der Fall ist. Bürger werden so in ihrer Teilhabe an Politik gestärkt und können sich ernst genommen fühlen. Das so ausgelöste Gefühl der Wertschätzung der Politik gegenüber der Bevölkerung kann Bürger wiederum dazu inspirieren, sich mehr für Politik und Bürgerbeteiligungsverfahren zu interessieren. Demokratie wird so revitalisiert.

Verfahrenskonzept

nein

Funktion

Information; Konsultation; Mitbestimmung

Gruppengröße

Sehr große Gruppen > 50 Personen; Großgruppen >30 Personen; Mittlere Gruppen 15-30 Personen

Teilnehmer (Min)

15

Teilnehmer (Max)

999

Zielgruppe

Allgemeinheit

Vorbereitung

Zunächst muss geklärt werden, wer zum Town Hall Meeting kommen wird (vor allem auf Seiten der Politik) und an einem möglichst genauen Ablauf des Meetings gearbeitet werden, der Thematiken, Dauer und Redezeiten mitbedenkt. Konkret muss auf die Frage geantwortet werden, warum das Town Hall Meeting stattfinden soll und was der erhoffte Ausgang ist.

Wenn Ort und Zeit festgelegt sind, sollte an der Bekanntmachung der Versammlung gearbeitet werden. Um möglichst viele Bürger und Bürgerinnen auf ein anstehendes Town Hall Meeting aufmerksam zu machen, muss in vielen verschiedenen Informationskanälen darauf hingewiesen werden. Hierfür sollte nicht nur an Verweise auf den Websites der Kommunen gedacht werden, sondern auch an Lokalzeitungen, Flyer, Aushänge usw. Wenn eine konkrete Agenda geplant ist, sollte diese allen Beteiligten schon vor dem Treffen mitgeteilt und zugänglich gemacht werden. Während des Town Hall Meetings ist es vorteilhaft, wenn alle Anwesenden diese schriftlich vor sich haben.

Zudem müssen ein Schriftführer, der das Gesagte festhält, und ein geeigneter Moderator gefunden werden. Der Moderator übernimmt die Aufgabe, auf die Einhaltung der Redezeiten zu achten und zu beurteilen, ob die vorgebrachten Beiträge zielführend sind. Gegebenenfalls muss er in den Austausch einschreiten. Außerdem sorgt er dafür, dass möglichst viele Menschen zu Wort kommen, damit sich keiner übergangen fühlt und die Meinungspluralität Ausdruck findet. Einem Stocken der Diskussion wirkt er durch das Stellen eigener Fragen oder durch eine Überleitung zu einem neuen Tagesordnungspunkt entgegen.

Ablauf
  1. Der Moderator eröffnet das Town Hall Meeting und erklärt sowohl den Sinn und Zweck als auch die Spielregeln des Treffens. Er stellt die anwesenden Politiker kurz vor.
  2. Er verleiht nun entweder der Partei das Wort, die zum Meeting geladen hat, oder der, die ihm am sinnvollsten für den Start erscheint. Es kann mit einer kurzen Präsentation seitens der geladenen Politiker begonnen oder direkt in die Diskussion eingestiegen werden. Der genaue Ablauf hängt vom ursprünglichen Grund der Versammlung ab.
  3. Falls eine verbindliche Abstimmung aller Beteiligter bezüglich mancher Themen vorgesehen ist, sollte diese am Ende des jeweiligen Themas erfolgen.
  4. Zum Schluss beendet der Moderator das Town Hall Meeting mit Dank an alle Anwesenden und weist darauf hin, wo das vom Schriftführer angefertigte Protokoll zu finden sein wird und, wenn dies der Fall ist, wann das nächste Meeting stattfinden wird.
  5. Es folgt eine Evaluation der Versammlung von den Organisatoren, um das nächste Treffen zu optimieren, und die politische Umsetzung der im Meeting getroffenen Beschlüsse.
Material
  • Ein großer Versammlungsraum mit Bestuhlung
  • Eventuell Soundtechnik und Videokameras für das akustische Verständnis und zum Aufzeichnen des Meetings
  • Computer und Beamer, falls Präsentationen geplant sind und zum Festhalten des Gesagten
  • Informationsblätter mit einer möglichen Tagesordnung
  • Eine Uhr für den Moderator, um Redezeiten und Uhrzeit im Auge zu behalten
Tipps und Anregungen
  • Wie Town Hall Meetings unsere Demokratie beleben können, lässt sich sehr schön in einem Artikel der Frankfurter Rundschau nachlesen. Ähnlich positiv, nur viel ausführlicher, thematisiert auch Nils Heisterhagen in seinem Essay Bürgerbeteiligung im Fernsehen – Town Hall Meetings als neues TV-Format? die Chancen von Town Hall Meetings für die deutsche Partizipationskultur.
  • Wie Unternehmen Town Hall Meetings nutzen können und worauf sie dabei achten müssen, wird kurz und bündig im Business Magazin förderland vorgestellt.
Dauer

wenige Stunden

Kosten pro Teilnehmer

< 10 €

Anforderung an Moderation

hoch

Professionelle Moderation

erforderlich