Interviewreihe: Meinungen zur Endlagerkommission (7)

Foto: stevebustin via Flickr.com, Lizenz: CC BY-ND 2.0

Auf Basis des Standortauswahlgesetzes erarbeitet seit nun mehr knapp zwei Jahren die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ einen Empfehlungsbericht für die Legislative, wie ein Suchverfahren für einen nationalen Endlagerstandort für hoch radioaktive Abfälle gestaltet werden könnte. Dazu fand am letzten Aprilwochenende eine zweitägige Bürgerkonsultation statt, über die der Bblog an anderer Stelle berichtet hat. Zudem widmet sich die aktuelle Ausgabe von ginkgo.tv der Veranstaltung in Form von Ablauf-Impressionen.

Prof. Dr. Schluchter – früherer Lehrstuhlinhaber an der BTU Cottbus und Entwickler des Triplex Konzepts für Partizipation – hat im Rahmen der Veranstaltung Interviews sowohl mit anwesenden Kommissionsmitgliedern als auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern geführt, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten und in einer Reihe von Blogbeiträgen in den nächsten Tagen in der Rubrik Praxis veröffentlichen. Um Ihnen einen unvoreingenommen Eindruck von der Vielschichtigkeit der Teilnehmermeinungen zu erlauben, verzichten wir dabei auf jede Kommentierung und inhaltliche Einordnung.


Interview: Kommissionsmitglied

Wenn Sie die Anfangssituation mit der heutigen Situation der Kommission vergleichen, hat sie sich möglicherweise verändert?

Es sind nun schon zwei Jahre vergangen und es sind viele gute Sachen zu Papier gebracht worden. Es sind viele Details zur Sprache gebracht worden, vom Rechtsschutz, von der Behördenstruktur, die Veränderungssperre, das Exportverbot. Aber die zentralen Knackpunkte, bei denen es den größten Streit gibt, liegen heute nicht geklärt vor und das ist schade, dass die Veranstaltung heute stattfindet, bei der die entscheidenden Punkte noch nicht entschieden sind. Wir haben immer kritisiert, dass die Zeit dafür nicht ausreichend ist, um darüber Entscheidungen herbeizuführen und jetzt haben wir die Situation, dass wir das, was wir diskutieren müssten, nicht können. Das ist schade.

In den Gesprächen ist ziemlich übereinstimmend geäußert worden, dass sich die Teilnahme schon gelohnt hat, denn es zeigt sich, dass man angefangen hat, miteinander zu reden, dass unterschiedliche Standpunkte besser verstanden werden, auch auf der Energieseite und dass das Problembewusstsein gesteigert worden ist. Wie sehen Sie das?

Was ich gesagt habe bezieht sich auf die Punkte, die bisher angesprochen worden sind. Es bezieht sich aber nicht auf die strittigen Fragen. Man merkt das sehr direkt, wenn das Thema Gorleben auf den Tisch kommt. Der inhaltliche Teil Gorleben ist sehr umstritten und man merkt es besonders, wenn es um die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Frühphase des Standortauswahlverfahrens geht. Man merkt es sehr, wenn es um den Rechtsschutz geht, der abgebaut oder erhalten bleiben soll. Und man merkt es sehr direkt, wenn es um die konkreten Kriterien geht, also z.B. um den Zusammenschluss von einem ausreichenden Deckgebirge, also um Kriterien, die für zukünftige Sicherheit stehen. Hier ist absoluter Dissens und da ist wenig gegenseitiges Verständnis zu bemerken. Ich fand die Reaktion eines Kommissionsmitglieds auf das aktuelle Gorlebenpapier sehr hektisch und emotional, sehr erregt und das zeigt, dass dafür noch nicht das Verständnis da ist. Also die zu verstehen, die Jahrzehnte lang dort hinters Licht geführt worden sind. Zur Bürgerbeteiligung habe ich einen ganz klaren Standpunkt. Ich folge der Forderung nach prozessualem Vorgehen völlig, das ist in Ordnung. Ich habe aber damit das Problem, dass der Prozess und das Prozedere vollständig abhängig von diesem neuen BfE sein wird. Die können das gut machen, sie können es aber auch grottenschlecht machen. Wir brauchen also über den Prozess vorher festgelegte Formate, die auch gesetzlich abgesichert werden und es muss eine justiziable Form geben, damit die Ergebnisse, die aus der Bürgerbeteiligung resultieren, auch tatsächlich überprüft werden können und dass sie in den Prozess dann Eingang finden. Wir brauchen also den vorgeschlagenen Partizipationsprozess und die Formate und Gremien und am Ende die rechtliche Überprüfbarkeit. Es darf nicht das Gefühl in den Regionen entstehen, dass die Menschen nicht gehört werden, dass ihre Vorstellungen nicht eingebaut wurden. Dieses Überprüfungsrecht brauchen die Menschen. Und dafür kämpfe ich. Ich arbeite gut zusammen mit dem Vertreter des Partizipationsansatzes und ich setze mich für die rechtliche Absicherung ein.

Ich möchte noch eine Frage anhängen: Was erwarten Sie am Ende von dieser Veranstaltung?

Ich habe mir von dieser Veranstaltung nicht so viel versprochen, weil viele Punkte noch nicht auf dem Tisch liegen. Es wäre sehr spannend zu hören, wie die Meinungen zu den noch nicht auf dem Tisch liegenden Punkten ausfallen. Über die Punkte, die unstrittig sind, zu sprechen ist ja nur halb interessant, halb so zielführend. Wir brauchen das Gespräch zu den strittigen Punkten, was heute leider nicht stattfindet. Insofern finde ich es prima, dass wir das, was heute vorliegt, diskutieren können, aber das, was eigentlich erforderlich wäre, findet nicht statt.

Literaturhinweise

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Bürgerbeteiligung - Praxisberatung für die Kommunalpolitik: Handreichung für die Weiterbildung von Kommunalpolitikern Online

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Transparenz bei Bürgerbeteiligung: Handreichung für Projektverantwortliche Online

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Bürgerbeteiligung in Kommunen verankern: Leitlinien, Mustersatzung und Praxisbeispiele für ein verlässliches Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft Online

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