Interviewreihe: Meinungen zur Endlagerkommission (2)

Foto: stevebustin via Flickr.com, Lizenz: CC BY-ND 2.0

Auf Basis des Standortauswahlgesetzes erarbeitet seit nun mehr knapp zwei Jahren die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ einen Empfehlungsbericht für die Legislative, wie ein Suchverfahren für einen nationalen Endlagerstandort für hoch radioaktive Abfälle gestaltet werden könnte. Dazu fand am letzten Aprilwochenende eine zweitägige Bürgerkonsultation statt, über die der Bblog an anderer Stelle berichtet hat. Zudem widmet sich die aktuelle Ausgabe von ginkgo.tv der Veranstaltung in Form von Ablauf-Impressionen.

Prof. Dr. Schluchter – früherer Lehrstuhlinhaber an der BTU Cottbus und Entwickler des Triplex Konzepts für Partizipation – hat im Rahmen der Veranstaltung Interviews sowohl mit anwesenden Kommissionsmitgliedern als auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern geführt, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten und in einer Reihe von Blogbeiträgen in den nächsten Tagen in der Rubrik Praxis veröffentlichen. Um Ihnen einen unvoreingenommen Eindruck von der Vielschichtigkeit der Teilnehmermeinungen zu erlauben, verzichten wir dabei auf jede Kommentierung und inhaltliche Einordnung.


1. Interview: Teilnehmerin

Mit welchen Erwartungen sind Sie hier hergekommen?

Meine Erwartung war, mehr Informationen zu bekommen, Erfahrungen auszutauschen, Fragen an Kommissionsmitglieder stellen zu können. Was geht und was geht nicht? Man kann aber das nun vorgelegte Papier nicht in der ganzen Tiefe diskutieren, es ist ja auch erst spät ausgeteilt worden. Die Hauptfrage ist, wie man den Inhalt des Papiers in ein Gesetz gießen soll, das für viele Jahrzehnte Geltung haben muss. Ich denke, dass man dazu keine richtige Lösung finden wird, weil alles hochkomplex ist.

Haben Sie denn den Eindruck, dass inzwischen einige Fortschritte bei der Lösung der Fragen erzielt worden sind, speziell für Gesetzesformulierungen und Verfahrensweisen?

Auf keinen Fall ist eine befriedigende Lösung gefunden worden. Dafür ist auch der Zeitdruck für die Kommission zu groß. Ich finde, es ist ein Fehler Zeitdruck aufzubauen. Die Formulierung von Kriterien für die Endlagersuche ist sehr wichtig und dafür braucht man länger als vorgesehen ist. Man sollte sich eine Verlängerung genehmigen, damit die Fragen präzise und in das Detail hinein aufgerufen werden können.

Sie sprechen ja auch mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Wie ist denn deren Sicht auf die Behandlung des Atommüllproblems?

Ich habe nicht so ausführlich mit anderen geredet. Gestern fand ich die Arbeit in den Kleingruppen sehr gut. Damit ergibt sich eine relativ starke Einbindung in das Thema. Am Tisch gab es sehr intensive Diskussionen, die ich sehr gut fand. Wie andere ihre Erwartungen erfüllt gesehen haben weiß ich nicht.

Ich möchte Ihnen eine abschließende Frage stellen und sage: „Es ist zu spät, um Pessimist zu sein“. Was halten Sie davon?

Man darf an die Problematik nicht als Pessimist herangehen. Was ich sehe ist, dass man aber auch nicht nur als Optimist auftreten kann, denn es handelt sich um einen endlosen Zeitraum. Ich finde, dass vieles dabei schöngeredet wird, z.B. einen umfangreichen Bergstollen zu erstellen, was aber für die Realität wenig nützt. Jedenfalls muss alles umfangreich bedacht werden um zu verhindern, dass wir am Ende dastehen und sagen müssen „Wir haben ein Riesenproblem“. Ich meine, dass es auf Riesenprobleme hinausläuft und dafür wird alles zu schön gerechnet, zu schön geredet. Die Kommission ist ja auch nicht in wichtigen Meinungen geschlossen einig und ich glaube, dass hier die Industrie eindeutig dominiert hat und auf eine Darstellungsweise abgestellt hat, die viel zu optimistisch ist.

2. Interview: Teilnehmerin

Heute sollen ja die nachgelieferten Seiten des Kommissionspapiers diskutiert werden. Wie ist dazu Ihr bisheriger Eindruck?

Es ist gut, dass das Papier endlich vorliegt. Aber man kann ja nicht auf die Schnelle 150 Seiten diskutieren. Die Eckpunkte müssen genau diskutiert werden und es wäre sehr wünschenswert, wenn die Konfliktlinien in der Kommission bekannt wären, um sich ein Meinungsbild machen zu können, warum die einen so und die anderen so aufgestellt sind.

Es ist in dem Text auf sogenannte Wunschbürger hingewiesen worden. Was halten Sie von der Beteiligung von Wunschbürgern?

Den Begriff halte ich für etwas verunglückt, denn letzten Endes verfolgen alle Menschen bestimmte Interessen. Ich sehe einen Zielkonflikt, denn wir wollen eine relativ schnelle Lösung. Wie sollen Wunschbürger gefunden werden? Das ist eine längere Angelegenheit und so schließt der Wunsch nach einer schnellen Lösung eigentlich eine intensive Bürgerbeteiligung aus. Wenn alle an allen Details beteiligt werden sollen, kommt man nie vorwärts. Wenn ich aber den Leuten wie in Gorleben etwas überstülpe, hat man nur Konflikte. Man muss also eine Kompromisslinie fahren. Man kann die Bürger zu Tode beteiligen, im überspitzten Sinn, aber man kann sie auch nicht ausgrenzen. Herauszufinden wie man das richtig machen soll ist eine wichtige Herausforderung, denn man müsste das Projekt über mehrere Generationen verfolgen. Es kann ja jemand sagen „Ich bin nun 30 Jahre alt und fange damit an, aber das Ende werde ich niemals erleben“. Dieser Gesichtspunkt ist für mich ein Thema, das die ganze Bürgerbeteiligung so schwierig macht.

3. Interview: Teilnehmerin

Können Sie mir bitte sagen, mit welchen Erwartungen Sie hier hergekommen sind?

Ich bin Expertin für Beteiligungsverfahren und weiß, was man mit solchen Fragen erreichen kann und was nicht. Man hätte in den Besprechungen an der einen oder anderen Stelle mehr ins Detail gehen sollen. Ich glaube aber auch, dass durch die Mischung der Teilnehmer, von Privatpersonen bis zu hochgradigen Experten, irgendwie ein Mittelwert herauskommt. Man muss viel mehr solche Formate in den Prozess einbinden, damit eine größere Sicherheit erzielt wird bei dem was zu entscheiden ist. Vor allem das, was dann für den Bericht genutzt werden kann. Im Großen und Ganzen bin ich mit den Ergebnissen, zumindest die mich betreffen, ganz zufrieden, wenn es so wie besprochen umgesetzt wird.

Wenn es viele solcher Formate gibt, besteht doch auch die Gefahr, dass die ganze Angelegenheit zerredet wird.

Das hängt davon ab, wie die Formate zusammengebunden werden. Es existiert ja dann der Bericht, der Gegenstand weiterer Beteiligungsformate werden könnte. Dafür hat man noch Zeit. Man kann daran noch weiter arbeiten. Das wäre mein Wunsch.

Haben Sie denn den Eindruck, dass die wesentlichen Fragen behandelt worden sind?

Es gibt immer Lücken. Wichtig ist aber, dass diese Lücken geschlossen werden und dass dies auch wieder transparent ist.

Meine letzte Frage lautet: Was halten Sie von der Aussage „Es ist zu spät, um Pessimist zu sein“?

Wenn man Pessimist wäre, müsste man ja aufgeben und das will wahrscheinlich keiner. Man muss in dem Rahmen, in dem man etwas machen kann, das tun, was möglich ist.

Literaturhinweise

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Bürgerbeteiligung in Kommunen verankern: Leitlinien, Mustersatzung und Praxisbeispiele für ein verlässliches Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft Online

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