Bürgerdialog Endlagerkommission – Erlebnisbericht 4

Foto: Heinrich-Böll-Stiftung via Flickr.com , Lizenz: CC BY-SA 2.0

Der Bürgerdialog der Endlagerkommission am 20. Juni 2015 war neben vielen noch folgenden Formaten eine wichtige Veranstaltung um eine umfassende Bürgerbeteiligung an der Arbeit der Endlagerkommission zu etablieren.

Wir wollen in regelmäßigen Abständen den Blick zurück auf den Bürgerdialog richten und dafür Stimmen von Bürgern zu Wort kommen lassen, die ohne einschlägiges Vorwissen zur Atommüll-Entsorgung am Bürgerdialog teilgenommen haben. Ziel ist es, einen möglichst facettenreichen und objektiven Eindruck des Bürgerdialoges zu bekommen.

Im Folgenden berichtet S.W. von ihren Eindrücken:

„Zum allgemeinen Ablauf des Tages lässt sich sagen, dass für das Ausfüllen des ersten Fragebogens für die wissenschaftliche Evaluation der Veranstaltung vorab nicht genug Zeit war und man so dazu neigte, beide Fragebögen zum Ende der Veranstaltung auszufüllen. So wurde der Sinn des ersten Fragebogens, die Meinungen und Erwartungen der Teilnehmer zu Beginn der Veranstaltung abzufragen, in Frage gestellt. Auch sollte das Austeilen der Fragebögen besser in der Pause geschehen und nicht vor den Vorträgen, da die Teilnehmer sonst zusätzlich abgelenkt werden. Kürzere Fragebögen wären deutlich besser, da der Auskunftswille beziehungsweise die Akzeptanz für eine solche Umfrage zu Beginn einer Veranstaltung, vor allem bei einer solchen, die zu viel Skepsis unter den Teilnehmern neigt, sowieso nicht so hoch ist.

Zunächst habe ich es als sehr positiv empfunden, dass sich eine der drei Schülerinnen in der Fokusgruppe auffallend rege an der Diskussion beteiligt hat und sich auch nicht von den beruflich versierten Teilnehmern beirren ließ. Die Schülerin hat das Ergebnis der Fokusgruppe sehr kritisch hinterfragt.

 Ich habe es als sehr positiv empfunden, dass sich eine der drei Schülerinnen in der Fokusgruppe auffallend rege an der Diskussion beteiligt hat und sich auch nicht von den beruflich versierten Teilnehmern beirren ließ.

Außerdem wurden die Spielregeln der Diskussion zu Beginn klar kommuniziert und somit nochmal verdeutlicht, dass jede Meinung konstruktiv aufgenommen werden soll.

Gut fand ich auch die Zusammenfassung durch die Moderation, dass nachgefragt wurde, ob die Argumente richtig verstanden wurden beziehungsweise ob die Zusammenfassung der Moderation dem Konsens innerhalb der Gruppe entspricht. Antworten wurden auf dem Flipchart übersichtlich nach Konsens und Dissens markiert – es war gut, dass beide Seiten als Möglichkeiten aufgegriffen wurden.

Leider gibt es aber auch einige negative Punkte. So war der zeitliche Ablauf der Fokusgruppe schlecht geplant beziehungsweise wurde dieser in meinen Augen von der Moderation nicht unter ausreichender Würdigung der Bürgerbeteiligung durchgeführt.

Beispielsweise nahmen die beiden Impulsvorträge der anwesenden Kommissionsmitglieder gut eine Stunde des ersten Zeitblocks in Anspruch. Hier hätte ich mir einen maximal zehnminütigen Vortrag pro Referent gewünscht.

Die Vorträge in der Fokusgruppe zur Öffentlichkeitsbeteiligung waren nicht zielgruppenspezifisch.

Die Vorträge waren zudem nicht zielgruppenspezifisch. Sie waren stark juristisch ausgerichtet, sehr detailliert (was sieht welches Gesetz vor) und abstrakt. Außerdem beinhalteten sie eine ganze Reihe rhetorischer Fragen, die mir als Teilnehmerin vielmehr suggerierten: „Wie können wir all’ das heute beantworten, wenn die Kommission es nicht kann?“. Hier hätte eine neutrale Person, zum Beispiel die Moderatorin, das Thesenpapier der Referenten zielgruppenspezifisch „übersetzen“ sollen.

Ich hätte mir auch deutlich mehr Führung durch die Moderatorin gewünscht, zum Beispiel im Diskussions-Ablauf. Zielführend wären etappenweise Fragestellungen gewesen, die Schritt für Schritt zur Erarbeitung von Antworten führen, um am Ende ein Gesamtbild zu erarbeiten (puzzleshaftes Zusammenführen von Einzelantworten).

Im Gegenteil wurden eher ungeordnet über „große“ Themen diskutiert, zu denen die beruflich und privat stark mit dem Thema befassten Teilnehmer ihre festen Meinungen bereits gebildet haben. So wurde mir das Gefühl vermittelt: „Wir sind an wirklichen Antworten nicht interessiert und unterstützen euch nicht bei der gemeinsamen Antwortfindung“ und „ihr könntet jetzt eure Meinung sagen, die dann berücksichtigt wird, aber ihr wollt ja nicht“.

So fand eine Diskussion statt, an der nicht jeder unabhängig des Hintergrundwissens gleichermaßen stark teilhaben konnte, in der es kein gemeinsames Heranführen an das Thema gab und es nicht möglich war, gemeinsam Antworten zu finden.

Eines der anwesenden Kommissionsmitglieder versuchte an manchen Stellen, Gesagtes zusammenzufassen, stieß aber durch eine andere Wortwahl auf Widerspruch durch die ursprünglichen Wortgeber. Meines Erachtens sollte das Zusammenfassen generell der Moderation überlassen werden, da sonst schnell der Eindruck entsteht, die Worte würden anders ausgelegt als ursprünglich gemeint.

Die Moderation sollte auch insofern stärker leiten, als dass sie Wortbeiträge, die Aspekte aus dem früheren Verlauf der Diskussion nochmals aufgreifen ohne neuen Input zu liefern, stärker entgegen wirkt, um sich im Kreis drehende Diskussionen zu verhindern.

Auch die Frage wie festzustellen ist, ob über bestimmte Ergebnisse Konsens in der Gruppe herrscht oder nicht, ist aus meiner Sicht nicht durch einzelne Wortbeiträge zu lösen, sondern eher durch Abstimmen durch Handzeichen.

Die Zielsetzung der Fokusgruppen sollte zu Beginn klarer definiert werden, um zu vermeiden, dass wichtige Fragestellungen aufgrund von Zeitmangel nicht mehr ausdiskutiert werden können. So wurde in unserer Gruppe an mehreren Stellen nur erste Ansätze oder offene Stellen konkretisiert, aber keine Gruppenergebnisse erarbeitet.

Probleme gab es außerdem bei der Gewichtung von aufgenommenen Punkten nach Quantität, so wurde dreimaliges Nennen in einem Beispiel als Konsens gedeutet und anschließend in die Ergebnisliste aufgenommen. Hier hätte man ALLE Wortmeldungen durch einen Protokollschreiber aufgreifen müssen, nicht nur einzelne ausgewählte. Positiv bewerte ich in diesem Zusammenhang jedoch die Möglichkeit, Ergebnisse nachträglich online kommentieren zu können.

Der auf die Diskussion folgende Programmpunkt „Zusammenfassung der Ergebnisse“ war wichtig. So wiederholten sich unter anderem Ergebnisse und Aussagen unterschiedlicher Fokusgruppen im Kern, sodass ein gleicher Tenor der unterschiedlichen Gruppen erkennbar war.

Leider waren aber die Ergebnis-Vortragenden teilweise komplett unvorbereitet, sodass der Eindruck vermittelt wurde, der Ergebnisverkündung würde nicht genug Wert beigemessen.

Leider waren aber die Ergebnis-Vortragenden teilweise komplett unvorbereitet, sodass der Eindruck vermittelt wurde, der Ergebnisverkündung würde nicht genug Wert beigemessen.

Außerdem hatten einige Vortragende die Flipchart-Notizen offensichtlich nach ihrem subjektivem Befinden zusammengefasst und es war zunächst unklar, ob wirklich nur diese Flipcharts als Ergebnisse an die Kommission weitergeleitet würden. Hier sollte gemeinsam zum Ende der Fokusgruppen abgesprochen werden, welche der Ergebnisse in welchem Wortlaut im Plenum präsentiert werden.

Insgesamt war die Zusammenfassung der World Café und Gruppen-Ergebnisse zu kurz. Auch dadurch, dass sich im Plenum anschließend viele zu Wort meldeten, die ihrem Gefühl Ausdruck gaben, ihre Aussagen wären falsch wiedergegeben oder elementare Aussagen wären untermauert worden, vermittelte die Veranstaltung am Ende einen faden Beigeschmack.“ 

 

Literaturhinweise

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Europa ganz nah: Lokale, regionale und transnationale Bürgerdialoge zur Zukunft der Europäischen Union Forschungsbericht

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Partii - Partizipation inklusiv Forschungsbericht

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Partizipation ermöglichen, Demokratie gestalten, Familien stärken Forschungsbericht

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Bürgerbeteiligung in Kommunen verankern: Leitlinien, Mustersatzung und Praxisbeispiele für ein verlässliches Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft Online

2017.

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